Es hat sich nicht viel verändert im
letzten Jahr- deine Kleider sind ausgeräumt, aber dein Schlafzimmer
sieht eigentlich aus wie immer- als kämst du gleich um die Eck.
Jeder konnte sich irgendetwas als
Erinnerung an dich aussuchen. Bei der Suche nach einem Gegenstand,
der dir so viel wie mir bedeutet haben könnte, ist mir klar geworden, dass du
nie wirklich Wert auf Gegenstände gelegt hast. Deshalb hat sich auch
so viel angesammelt- Mitbringsel von Reisen, Geschenke, Gebasteltes,
Bücher. Kisten und Kartons mit Glückwunschkarten, Traueranzeigen,
Bildern von längst vergessenen Personen. Du hast nie was
weggeworfen, was dir geschenkt wurde. Alles angesammelt in einem
Raum, der für dich eigentlich nur das Bügelzimmer war. Zusammen mit
all den alten Akten, Büchern und Papieren vom Bappe. Zwei ganze
Leben verstecken sich in diesem einem Raum, aber ob man sie je ganz
entdecken wird?
Im Flur offensichtlich die wichtigeren
Dinge: Bilder von der Familie und verstorbenen Angehörigen, Bilder
vom alten Haus. Die Reisetagebücher, die du bei jeder deiner Reisen
geführt hast, neben den Kisten mit Bildern aus allen Phasen deines
Lebens. Gesangbücher.
Und ganz nah bei dir, in der Küche, wo
du dich die meiste Zeit aufgehalten hast: Straßenatlas, Landkarten,
Globus. Alles was nötig ist, um die Lebens- und Urlaubswege auch der
entferntesten Verwandten oder Bekannten mit dem Finger auf der
Landkarte verfolgen zu können.
Du hast immer jede Reise von der du
hörtest, interessiert verfolgt, und selber oft genug erlebnisreiche
Reisen unternommen. Und du wußtest immer, wo der Cousin der
Schulfreundin hin verheiratet war. Oder der Sohn der Bäckerin die
Lehre machte. Oder die Eltern der Schulfreundin der Enkelin hin
verzogen waren. Oder welchen Lebensweg die Kinder der Gastgeber aus
der Dorfpartnerschaft nahmen.
Der Familiengag: Wenn irgendwo zwei Baste aufeinandertreffen, liegt IMMER auch eine Karte auf dem Tisch. Das haben wir natürlich von dir.
Wer weiß, wenn du nicht so neugierig
auf die Welt und interessiert an deinen Mitmenschen gewesen wärst,
hätten wir dich vielleicht schon früher verloren.
Kend, komm, wann fohre mir dann
nochemol en de Norde? Sagtest du nach der Rückkehr aus dem Norden.
Zum Schluß wirktest du fast ruhelos.
Jetzt bist du am Ziel deiner Reisen
angekommen- wo immer das sein mag.
Ein großes Ziel hast du schon zu
Lebzeiten erreicht: die große Familie, die immer wieder
zusammenkommt und Kontakt hält. Dein neuntes Urenkelchen hat dich nicht mehr
kennenlernen dürfen, aber ich bin sicher, der kleine Tom wird viel Gutes von dir
erfahren.
Wir treffen uns nicht an deinem
Todestag. Jeder ist da, wo er gerade lebt, denkt an dich und ehrt
dich auf seine Weise.
In einer Woche feiern wir schon wieder
gemeinsam einen runden Geburtstag und es wird sein, als wärst du
dabei.
Und du wirst uns fehlen.
(Ach ja- ein einohriger Blauzeugkrug aus deiner Sammlung beherbergt jetzt meine Kochlöffel. Und deine alte Pfaff-Nähmaschine wird hier einziehen. Ich habe früher oft unter ihr gesessen und den Antrieb wie wild getreten, das die Nadel nur so sauste, bis du mit mir geschannt hos.)
Schloof, Mamme, ruh in Frieden. Alles ess gut, alle Orwet ess gedohn.
Hachmanno, jetzt stehen mir die Tränen in den Augen. So lebendig wird deine Oma durch deine Worte.
AntwortenLöschenSchön, dass du sie so lebending hältst in deiner Erinnerung.
Hier ist es nun schon bald sechs Jahre her. Und ich vermisse sie immernoch. Ein altes Litermaß aus dem Kuhstall und eine 50er Jahre Küchenuhr, deren Ticken mich in die Kindheit zurückversetzt, sind bei mir geblieben. Und der Name, den meine große Liese nun trägt. Omas sind was wunderbares
Fühl dich gedrückt.
Ganz liebe Grüße!
Paula
...das hast du so wunderwunderschön geschrieben...
AntwortenLöschen...Frau Mena...
Was für ein wunderbarer Nachruf... Könnt ich jetzt heulen... Da steckt so viel Liebe drin!
AntwortenLöschenGanz liebe Grüße
aennie
Was für wundervolle Worte!
AntwortenLöschenHerzliche Grüße
Martina
Ich kann mich nur anschliessen….das hast du einfach wunderbar geschrieben…..habe auch Tränen in den Augen….
AntwortenLöschenSolange man an einen Menschen immer wieder denkt, ist er nie ganz weg!
Drück dich!
Liebe Grüße
Gisela