Freitag, 10. August 2012

Leben

Ist schon so ein bißchen skurril, das Leben.
Eben noch meine tote Großmutter aus dem Haus begleitet und nun schon den Geburtstagstisch für den Königssohn vorbereitet und mit viel Freude die Geschenke eingepackt.
Die Oma stirbt.
Sohn freut sich auf seinen Geburtstag.
Immer umschalten, klick, klick, klick.
Aber was ist das Schöne am Tod?
Die ganze Familie rund ums Sterbebett versammelt.
Die letzten drei Tage hat Omaria (eine schöne Abkürzung der Kleinsten für Oma Maria, nicht?) keine Sekunde alleine gehabt, um mal zu überlegen welchen Weg sie nun gehen will. Immer saß jemand an ihrem Bett und hielt ihre Hände. Einer links, der andere auf der rechten Seite- dort, wo vor vielen Jahren der Opa (Bappe) schlief. Eine ganze Zeit durfte ich diesen Platz einnehmen.
Seltsam, wieviel Schönheit in einem verrunzelten Antlitz liegt. Ohne Zahnersatz, mit eingefallenen Wangen und Mundwinkeln. Mit Liebe betrachtet erscheint jedes Antlitz wunderschön. Hört sich nach Kalenderspruch an, ist aber so. Dabei entstand auch das Mantra.
Gieh, Mamme, gieh. Alle Orwet ess gedohn, dou kanns dich henlehe un ruhe. Ruh dich aus, Mamme.
Ab und zu zuckte sie nochmal unruhig hoch und murmelte wirre Worte. Kend, Erbel ausdohn. Die Stecker noch schmeere. Sinn alle Kinner em Bett? Resi, hos dou dot Dorti end Bett gebrocht?
Mit ihr ist eine Ära zu Ende gegangen.
Ihr Leben lang war sie zutiefst gläubig. Ich weiss nicht, wieviele Rosenkränze sie vorgebetet hat, wieviele religiöse Zeitschriften sie ausgetragen hat, wie oft sie das Vaterunser, das GegrüßetseistduMaria und das Glaubensbekenntnis gebetet hat. Sie hat am Bett ihrer jüngeren Schwester gesessen nach deren schwerem Verkehrsunfall und sie hat ihr gesagt das deren Tochter dabei umgekommen war und mit ihr durchgehalten in den schlimmen Wochen danach. Viele vergleichbare Situationen hat sie durchgestanden.
Sämtliche Schicksalsschläge in der Familie hat sie stets mit einer Mischung aus Pragmatismus, Optimismus und Gottergebenheit gemeistert. Für jeden war sie immer ein beruhigender Hort.
Ihre zutiefst eingeprägte Einstellung war:
Gott walts. Jo.
Gott wird es richten. Ja.

Ich bin sehr traurig.
Ich kann ihren unbedingten Glauben an den lieben, den sanftmütigen Gott, nicht teilen.
Ich wünschte, ich könnte.

5 Kommentare:

  1. Das was Du von Deiner Oma schreibst, erinnert mich sehr an meine eigene Oma. Sie war auch ein tiefgläubiger Mensch und hat die größten Schicksalsschläge mit einer "Leichtigkeit" genommen, die mir immer wieder Vorbild ist. Oma hat jahrelang mit einer furchtbaren und schmerzhaften Krankheit gelebt. Sie hat NIE geklagt oder gehadert. Das war halt so und irgendwas denkt der liebe Gott sich hoffentlich dabei. Letzterer tiefer Glaube ist auch in mir verwurzelt, dank meiner Oma. Und ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Deine Oma Dir vom Himmel aus ein wenig ihrer eigenen Zuversicht abgeben kann. Es tut mir leid dass Du Deine Oma gehen lassen musstest. Aber die vielen wundervollen Erinnerungen werden sie lebendig scheinen lassen und immer wenn Du Sorgen hast, überlege, wie Deine Oma das ganze angegangen wäre.

    Ich drück Dich einfach mal unbekannterweise.

    Sarah

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    1. Zitat: "Sie hat NIE geklagt"

      So war mein Opa auch. Selbst am Ende, als es richtig schlimm war und er noch nicht mal mehr aufstehen konnte, hat er sich immer um uns gesorgt und um Oma, die er alleine lassen wird. Er hat sich mehr Gedanken und Sorgen darum gemacht, wie es uns gehen wird, wenn er weg sein wird...

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  2. Liebe Doro,
    Du schreibst mit wundervollen Worten über diesen so traurigen Anlass. Da ich Dich ja eigentlich gar nicht kenne, möchte ich mir nicht anmaßen, auf irgendeine oberflächlich erscheinende Weise zu kondulieren. Ich wünsche Dir jedoch, dass die Traurigkeit mit der Zeit von den vielen schönen Erinnerungen überlagert wird und Dir das eine oder andere Mal ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
    Da Deine Oma sehr gläubig war, hat sie sich sicherlich auf das gefreut, was "danach" kommt, was auch immer es sein mag.
    Herzliche Grüße
    Tanja

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  3. Das Mantra - ein Traum!!! Du kannst wirklich mit Worten umgehen und hast das Herz am rechten Fleck!! Und da ist bestimmt auch ganz, ganz viel Platz für EWIGE Erinnerungen an einen wundervollen, lieben Menschen, den du nun leider gehen lassen musstest!!!
    Ich drück dich in Gedanken ganz fest!! Kopf hoch!!!
    Ganz liebe Grüße,
    Sabine

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  4. Ich kann das sehr gut nachvollziehen! Am 29.06. ist mein Opa gestorben, auch zu Hause, nach einem halben Jahr Kampf mit dem Krebs (Bauchspeicheldrüse), vielen Chemos und so... Es war schlimm ihn so zu sehen, abgemagert und am Ende so gelb (Leberversagen). Ist manchmal schon scheiße, das Leben... Und das dann dem Zwerg (4) zu erklären, dass der (Ur)Opa nicht mehr da ist... Er hat ihn ja nun auch fast jeden Tag gesehen, wir wohnen alle auf einem riesen Grundstück - 4 Generationen - und plötzlich fehlt da einer... das Leben ist fies...

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Senf dazu? Aber gerne.